Episode: Was Metoo und ein Lieferant gemeinsam haben

Leider wird die Debatte, die mittlerweile unter dem Kürzel ‚metoo‘ geführt wird, auf schlimmste Weise torpediert. Es erinnert mich beispielsweise an eine Deutsche Bundestagsabstimmung als Grünen-Politikerinnen noch anfangs der 1990er ausgelacht wurden als sie Vergewaltigung in der Ehe als ein Strafdelikt forderten. Vor einer Woche postete ein bekannter österreichischer Philosoph einen Heiseartikel/-kommentar, der mir wahrlich die Schuhe ausgezog. Darin stand einerseits ein Übergriff auf Adorno beschrieben, so weit, so zu verachten, aber weiter führte der Kommentar eines Lesers aus, dass wir in Wirklichkeit in einem Männer unterdrückenden Matriarchat lebten. Es wäre als würde man der Blacklivesmatter-Bewegung unterstellen, dass es in Wirklichkeit eine schwarze Hegemonie gäbe... Eine derartige Ignoranz einem strukturellen Problem gegenüber, lässt mich Leber & Galle kotzen.

 

Gestern

 

Gestern, nach einem netten Zusammentreffen mit FreundInnen auf dem Schönbrunner Weihnachtsmarkt, gehüllt in Watte&Glühwein, beschlossen wir über den Lieferservice mjam noch Sandwiches bei Subway Lugner City zu bestellen. Gemacht, getan, klingelte es alsbald an der Türe. Während mein Liebster Zombies und einer Riesenschlange den Kampf angesagte, schlug ich vor, das Fresspaket entgegen zu nehmen. Ich schlurfte also in ausgebeulter Jogginghose, T-Shirt und offenem Bademantel zur Wohnungstüre. Alsbald tauchte auch schon der Lieferant im dritten Stock auf. Da ich eine andere Endsumme im Kopf hatte, gab es erstmals Verwirrung über den zu bezahlenden Betrag. Ich streckte dem Lieferanten also zielsicher einen Zwanziger entgegen und rundete ebenso zielsicher verbal auf, als ich feststellte, dass der Betrag ein höherer war. Als ich daraufhin verunsichert wild in meinem Kleingeldfach kramend ‚Sorry’ sagte, entgegnete der Lieferant mir ein „Schätzchen, ach’ macht doch nix!“. Ich traute meinen Ohren nicht, schaute irritiert auf und erblickte erstmals bewusst das Gesicht meines Gegenübers. Er grinste schelmisch und fuhr fort: „Du hast aber einen schönen Lippenstift!“ - „Bestellst du öfter hier?“ - Eiskalt erwischt stammelte ich irgendetwas, drückte den wurstigen mit Gold beringten Fingern das fehlende Kleingeld in die Hand, verabschiedete mich fluchtartig und schloss die Türe zweimal hinter mir ab.

 

Nun stand ich da. Klein. Gedemütigt. Mich selbst verurteilend, dass ich kein Paroli geboten hatte. Ich spürte die Blicke auf dem unter dem T-Shirt bhlosen Busen nach und es spürte sich nicht an wie ein harmloser Flirt, wie ein schmeichelhaftes Kompliment. Nein, es war schlichtweg ekelhaft.

Diese ist eine von unzähligen Situationen, die man als Frau* auf täglicher Basis erlebt. Gefährlich war die Situation de facto nicht, obwohl der Fakt an der Schwelle seines Privatbereichs so etwas zu erfahren, ein großes Unbehagen auslöst. Aber genau das ist ja der Punkt. Solange etwas nicht offensichtlich als körperlicher Übergriff erkennbar ist und vor allen Dingen zeugenlos bleibt, beginnt die Spirale der Verharmlosung. Ich wehre mich dagegen, ich will nicht stetig in Kampfstellung sein, um die Verletztlichkeit meiner Privatheit zu verteidigen und mein Selbstverständnis als Mensch einzufordern. Mein ‚Nein‘ hat noch mehr Selbstlaute!