„Sie können ab sofort wieder Schwarz tragen!“ verspricht die Verkäuferin, die im Video FATLife ein vermeintliches Nahrungsergänzungsmittel bewirbt, das eine Gewichtszunahme von einem Kilo pro Woche garantiert. Unter dem Motto „The Fatter the Better“ eignet sich die Künstlerin Veronika Merklein die Rhetorik der Nahrungsergänzungsmittelindustrie und Bildsprache von Dauerverkaufssendungen an, um das milliardenschwere Geschäft mit Selbstoptimierungsprodukten und die Stigmatisierung des als dick gelesenen Körpers anzuprangern.
Merklein, die im gleichermaßen kritischen wie humorvollen Video in die Rolle der Verkäuferin schlüpft, versichert mit strahlendem Lächeln, dass die Einnahme der FATLife Pille nicht nur Gesundheit
und jugendliches Aussehen, sondern auch ein erfülltes Berufs- und Familienleben garantiere. Nahrungsergänzungsmittel gelten in der EU rechtlich als Lebensmittel und dürfen daher nicht damit
beworben werden, dass sie Krankheiten heilen, lindern oder verhindern. Stattdessen bedienen Superfoods, Diätpillen, ausdauersteigernde und muskelaufbauende Wundermittel das weite Feld der
körperlichen Optimierung mit dem Versprechen, die Erfolgschancen in allen Lebensbereichen zu erhöhen. Der Körper unterliegt heute einem unerbittlichen Perfektionierungszwang: körperliche
Unversehrtheit, optimale Funktionstüchtigkeit und Attraktivität sind die geforderte westliche gesellschaftliche Norm. Wird diesem politisch, sozial und ökonomisch motivierten Körperideal nicht
entsprochen, drohen Stigmatisierung, Bevormundung und Ausgrenzung.
Schönheitsideale waren schon immer ein soziales Konstrukt, geprägt von Moralvorstellungen, Macht und Geschlechterrollen. Indem das Christentum im Laster der Völlerei eine Schwächung des Geistes
sieht, konnte der füllige Körper als Zeichen von Kontrollverlust gedeutet werden. In der frühen Neuzeit wurde dem meist männlichen dicken Körper asoziales Verhalten und politischer ungehorsam
vorgeworfen, und er wurde oft mit den Berufsgruppen der untersten sozialen Schichten assoziiert. Mit FATLife zeigt Merklein nicht nur auf, dass hierarchische Körperbilder auch heute noch von
Medien bestätigt, produziert und reproduziert werden, sondern sie lenkt einen pointierten Blick sowohl auf das Verhältnis zu ihrem eigenen dicken Körper als auch auf die gesellschaftlichen
Erwartungen und Zuschreibungen an eben diesen.
Katalogtext: Dom Museum Wien, 2022