Wer (live)performt ist unweigerlich mit dem Thema Dokumentation konfrontiert. Nach wie vor sind es Fotografie und Video, die speziell im Bezug auf Liveperformances zur Dokumentation
eingesetzt werden, allerdings entstehen in der Übersetzung des Live-Ereignisses ins andere Medium, digitaler oder analoger Art, meist Mängel, da neben dem visuellen und/oder auditivem Moment
noch andere Komponenten zum Tragen kommen.
Deshalb begreifen viele KünstlerInnen heute die Dokumentation nicht mehr nur als Konservierung eines vergangenen Ereignisses, sondern weisen ihr einen neuen, wichtigen Teil innerhalb ihrer
Arbeit zu. Genau an dieser Stelle beginnt unser Interesse. Wenn dieser Kreislauf also nicht im Bedürfnis nach Konservierung gestoppt wird, sondern in einen natürlichen Prozess der
Weiterverarbeitung gerät, wird die Dokumentation zur Protagonistin und der/die ProtagonistIn wiederum zum/zur PerformerIn.
Die performative Arbeit ist so entweder von ihrer Dokumentation untrennbar - oder die Dokumentation wird zum eigenständigen Beitrag, der es in seiner Referenz vermag eine neue Gegenwart zu
schaffen.
Text: Thomas Geiger, Veronika Merklein
Für den Performancabend PANik3 - Performance als Dokumentation im depot, Wien haben wir Positionen ausgesucht, die Aspekte der Dokumentation innerhalb ihrer performativen Arbeiten umzusetzen suchen.
Kathrin Herzner z.B. würde sich gar nicht selbst als Performerin bezeichnen. In ihrem Live Hörbuch Ost kommen Performances und Dokumentation an ein und derselben Stelle
zusammen - ohne Aufzeichnung und nur durch die ZuhörerInnen.
Pascale Grau beschäftigt sich vielschichtig und präzise mit Theorien zur Performancedokumentation und dem eigenen Körpergedächtnis und untersucht diese performativ wie
theoretisch.
Julia Klärung und Andrea Salzmann rekonstruieren anhand von ZeitzeugInnenschaften und Relikten Ereignisse, welche sich dann zu einer neuen lebendigen Geschichte zusammenfügen. In
ihren Arbeiten hinterfragen auch immer wieder gegenwärtige Arbeitsverhältnisse von KünstlerInnen.
Das Cyberformancekollektiv UpStage fühlt sich in The Net and the Butterfly mit der Frage konfrontiert wie man ein körperloses Ereignis überhaupt dokumentieren kann. Das
Wort live und nicht-live ist hier schon von Anfang an fragwürdig.
Für Billy X. Curmano ist Kunst gleich Leben. Seine Performances finden meistens in unwägbarem Gelände statt. Um ein LivePublikum leichter zu erreichen, übersetzt er das
vergangene Ereignis für und auf eine andere Bühne.
Kathrin Herzners Arbeit kann nicht über das Medium "Fotografie" dargestellt werden und bleibt deshalb an dieser Stelle undokumentiert.
Kathrin Herzner über Performance und Dokumentation
Jede Art der Dokumentation von Ereignissen zerstört deren essentielle Basis: die Simultanität von Wahrehmung und Inhalt. Gleiches gilt für performative Ausdrucksformen: Fotos und Beschreibungen
sind lediglich unzureichende Hilfsmittel, die dem zerstörerischen Verlangen nachkommen, etwas zu erhalten, dessen Wesen es ist zu erscheinen und zu verschwinden. Die Dokumentation ist keine
Alternative zur Realität, aber kann ein eigenständiger Teil einer Arbeit werden.
Julia Kläring und Andrea Salzmann über Performance und Dokumentation
Foto und Video sind die gebräuchlichsten Dokumente für vergangene Performances – aber nicht alles ist aus ihnen herauszulesen. Das Befragen von ZeugInnen ermöglicht einen anderen Blick auf das
Geschehene. Es ist jedoch eine umstrittene Methode, denn Objektivität kann hier nicht erwartet werden. Manche Aussagen bringen uns auf interessante Fährten im Gewirr der Live-Art-Geschichte, und
erzählen von Dingen, die Fotografie und Video nicht einfangen können. Der / Die ZeugIn spricht jedoch immer auch über sich selbst, und über den Ort und Zeitpunkt der Befragung, ja sogar über die
/den Fragenden. Wie für jede Dokumentation einer zeit- und ortsspezifischen Handlung bleibt auch in der Performance-Geschichte ein großer Interpretationsspielraum für spätere BetrachterInnen.
Dieser Raum ist offen für neue Handlungsmöglichkeiten und für die Zukunft.
Billy X. Curmano über Performance und Dokumentation
Live-Performances sind oft nur schwer nachvollziehbar, wenn man nicht Teil des Ereignisses war. Die Dokumentation einer Performance innerhalb einer neuen Performance erzeugt jedoch einen neuen
Live-Moment, der einerseits einen früheren Zeitpunkt beleuchtet und andererseits einen neuen schafft. Am Ende sind das alles nur Versuche um Spuren zu erzeugen, die beweisen sollen, dass wir
existieren.
UpStage über Performance und Dokumentation
Wie bei Live-Performances verschwindet auch in den Dokumentationen von Cyberperformances das Gefühl der Unmittelbarkeitund des ‚Im-Moment-Seins‘. Zusätzlich verwischen die Cyberperformances die
Trennung zwischen ‚live‘ und ‚nicht-live‘ durch die multiple Autorenschaft und Vielschichtigekeit in der Zusammenstellung der verschiedenen digitalen Medien und deren Intermedialität. Auf der
einen Seite kämpfen wir als Künstler gegen das Festhalten des Moments. Auf der anderen Seite sind wir darauf angewiesen
– für Finanzierung, Förderung, Forschung etc. – zu dokumentieren, was sonst überaus flüchtig ist.
Pascale Grau über Performance und Documentation
Ich gehe davon aus, dass Performance selber eine Form von Dokument ist, das kulturelle Praktiken weiter schreibt und Kontingenzaufzeigt. Ich nutze die performative Kraft eines Dokumentes. Unter
(medialen) Dokumenten verstehe ich Primärprodukte, die Teil der Performances sind (z.B. Skizzen, Konzepte, eingespielte Videos und Sounds). Davon zu unterscheiden sind Dokumentationen im Sinne
von Sekundärprodukten (z.B.Videoaufzeichnungen, Fotos und Texte von Dritten). Da Performancekunst die Kopräsenz von AkteurIn und ZuschauerIn voraussetzt, muss die Stimme der Zeugenschaft in die
Vermittlung einer Performance miteinbezogen werden.
PANik3 - Performance als Dokumentation ist im Rahmen der Performancereihe PANik des Performance Art Network Vienna entstanden.
DokumentaristInnen:
Video: Nils Olger
Foto: Claudia Rohrauer
Text: Nicole Sabella