Die Pose als bewußt gesetzte „Performance“ wird erst durch
die Wiederholung und das Selbstverständnis des/der Agierenden
und das Deuten dieser durch das gemeinte Umfeld als solche statuiert.
- Veronika Merklein
Die Fotoarbeiten „Pose 1 - Marina Abramovic“ und „Pose 2 - Veronika mit dem Schweißtuch“ sind Allegorien auf die klassischen Disziplinen: die der Malerei und die der Bildhauerei. Sie treten in ein Wechselverhältnis mit der derzeitigen Diskussion in der Performancekunst um die Ausstellbarkeit von Performancekunst. Das bewegte Objekt und das unbewegte Subjekt finden sich in der performativen Bewegungslosigkeit stets wieder, die meinen performativen Arbeiten innewohnt. Beide Arbeiten werden in Form von freistehenden lebensgroßen Aufstellern zusammen mit einem gemeinsamen Porträt „Pose 3 - Künstlerin mit Rektorin und Meerschweinchen“ gezeigt, welche eigens für das Büro von Rektorin Eva Blimlinger konzipiert wurden.
(Pressetext: Veronika Merklein)
Pose 1 - Marina Abramovic ist der erste Teil der Ausstellungskompilation. Die Bildkomposition bezieht sich auf ein Dokumentationsfoto der Performance Rhythm O von Marina Abramovic aus dem Jahr 1974. Eine Performance, die mich alleine durch das sekundäre Dokumentationsmaterial seinerzeit 2003 in einen beeindruckten Bann zog. Einerseits fragte ich mich zum Entstehungszeitpunkt meiner Bearbeitung (2011-12) nach der Bedeutung der Begrenzung des Rahmens, die eine Fotografie vorgibt; im Zusammenhang mit meiner Thematik und der Frage nach Performance und ihrer dokumentarischen Medialisierung. Was bedeutet es, hier auf den Rahmen zu verweisen, ihn neu zu setzen und die in sich fiktionalisierte Geschichte nonverbal neu zu betrachten? Andererseits bekommt das lebensgroße Bild mit dem Titel eine Wendung, die das faszinierende sowie beängstigend religiöse Idoltum Abramovics humoristisch zu hinterfragen versucht.
Der Titel Pose 2 - Veronika mit dem Schweißtuch ist der biblischen Figur “Veronika mit dem Schweißtuch” entnommen, der Name ist selbstsprechend: vera (lat.), ikon/ikona (lat.), eikon
(griech.) = das wahre Gesicht, das wahre Bild. Das Schweißtuch umgedeutet, könnten die roten Flecken auf dem Brusttorso und im Gesicht auf einen Saunagang hinweisen.
Wenn das Schweißtuch im christlich-religiösen Kontext ursprünglich das Gesicht Jesu widerspiegelte, würde es in diesem Fall den Abdruck einer großen weiblichen Brust abzeichnen. Was würde es
folglich bedeuten, wäre die große weibliche Brust “Das wahre Gesicht”? Die Außenwahrnehmung vereint sich zugleich im Erotikobjekt (Big Beautiful Woman) und der Mutterfigur (Nana,
Venusdarstellung), ein Phänomen, mit dem ich als weiblich-feminine Frau immer wieder konfrontiert werde.
Das gemeinsame Porträt Pose 3 - Künstlerin mit Rektorin und Meerschweinchen mit Eva Blimlinger ist als letzter Teil des “Triptychons” der Ausstellung entstanden. Der Körpertyp der
Rektorin, in Verbindung mit meinem, ließ mich umgehend an ein Familienporträt früher Fotografie respektive niederländischer Malerei denken. In Ver-bindung stehend mit dem neuen Arbeitszyklus
“Redefining Fat Identity”, beschäftige ich mich innerhalb der Arbeiten mit der Frage der Identität, die über die eigene Ich-Suche hinausgeht und sich so auf politischem Terrain (“Dicksein ist
politisch.”) verortet. Weiters geht es mir innerhalb des Porträts um eine Ausverhandlung der Begriffe Macht, Geschlecht, Status, kulturelles Kapital.
Das Porträt als Ausstellungsobjekt und das Porträt als Postkarte zeigen zwei differente Bilder, in denen sich die stehenden und sitzenden Figuren vertauschen. Die Frage nach Macht stellt sich in
der Überlegung nach dem Verhältnis vom Sitzenden zum Stehenden. In gemeinsamen Porträts royaler oder aristokratischer Familien ist der/diejenige der/die Mächtigere, der/die das Vorrecht hat,
zu sitzen: Der König als erster Sesshafter, der Thron als Machtsymbol, welches einen Verlust von Bewegungsfreiheit voraussetzt. Später auch das Stuhlsitzen als Zeichen des Bürgertums und somit
des Nachdenkens und des Kalkulierens (nach Irmgard Bohunovsky-Bärnthaler (Hg.), Vom Reisen, Weggehen und Sitzenbleiben). Gleichzeitig ist aber auch das Stehen, im Sinne einer
Bewegungsfreiheit und -möglichkeit, eine Machtgeste. Die wichtigere Person wird als die größere dargestellt, in Pose 3 - Künstlerin mit Rektorin und Meerschweinchen zusätzlich
verstärkt durch die Bewegungseinschränkung des fürsorglichen Haltens des Meerschweinchens der Sitzenden. Die Positionierung kann also letztlich sowohl im einen als auch im anderen Sinn gedeutet
werden.