THE HANDS THAT FEED YOU war ein inszeniertes Abendprogramm für TeilnehmerInnen des Symposiums "This Sentence is Now Being Performed - Research and Teaching in Performance and Performance Art", dessen zentrales Element ein gemeinsames Abendessen bildete.
Wurde innerhalb des Symposiums die Frage nach Lehre und Forschung im Zusammenhang mit Performance gestellt, so sollte hier der Akt des Speisens, und sein performatives Potential, sowohl kritisch wie auch lustvoll beleuchtet werden.
Der Vorgang der Nahrungsaufnahme stellt in vielen Kulturen eine zentrale gesellschaftliche Funktion dar. Das gemeinsame Mahl soll Kommunikation ermöglichen und wird hierfür bewusst eingesetzt, sei es, um miteinander zu sprechen, zu verhandeln, zu feiern, zu genießen. Der Moment des gemeinsamen Speisens ermöglicht die Integration des_der Einzelnen in die Gruppe und kann eine Gruppe sozial stärken. Beim Festessen, an dem sich das Performance-Dinner orientiert, geht es nicht nur darum, den individuellen Körper physisch, sondern einen größeren, in diesem Fall akademischen Korpus, zu nähren. Die dafür benötigten Ressourcen sind vielfältige (finanzielle, zeitliche, personelle,etc.). Der Rand des Tellers ist somit nur eine scheinbare Grenze, die einen Inhalt definieren und zugleich vielschichtige Prozesse in einem fiktiven, abgespaltenen und oft unsichtbaren Außen halten möchte.
Speisen und Trinken ist als eine überaus sinnliche Erfahrung, doch “anders als bei der hörenden, tastenden oder sehenden Einverleibung schnappen wir beim Essen nach einem habhaften Stück Umwelt”. Was bedeutet es, nach der Hand, die eine_n füttert zu schnappen, in sie zu beißen und sie vom Rest des Körpers abzubeißen, sie zu zermalmen und zu verdauen, die brauchbaren Teile zu transformieren und den Ballast auszuscheiden? Und was bedeutet es, wenn diese Hand die eigene war? (Text: Teresa Novotny)
Performative Interaktion, Eröffnungsrede
MY NAME IS (Veronika Merklein)
Die Sprechperformerin Gina Mattiello betritt die Bühne, eine ca.100qm große Fläche aus Tischen, und eröffnet ihre Rede mit „I am aaaa performer.“ Innerhalb dieser Rede stellt sie auch
die DokumentaristInnen vor. „On the right Diego Mosca, In the middle Christoph Kolar, On the left Christian Messner, And behind Bernadette Anzengruber - right, middle, left, and behind, right
middle...“ Sie weist das Publikum daraufhin sich ihrer selbst bezüglich der Geschichtlichkeit der Dokumentationsmedien gewiss zu sein. „Please always look into the camera, right into the
camera, cheese and clack, cheeessse and clack in the middle.“ Während ihres Auftritts wird sie sich das T-shirt „My name is“ anziehen. Von diesem Moment gibt es keine Dokumentation,
weil alle DokumentaristInnen ihr gleich tun. Mattiellos Rede endet mit „I am Gina Mattiello, I am 33 years old and I lied.“
Während sich Gina Mattiello zurückzieht, steht die einzige namentlich Benannte vom Tisch auf und umkreist diesen redend. Auf dem T-shirt der Schauspielerin sieht man in großen Lettern Johanna
Witholm stehen, welches sich auf das Satzteil „My name is“ bezieht. Sie verkörpert im Gegensatz zu Mattiello, die in die Kunstgeschichte eingegangenen KünstlerInnen.
In ihrer Rede greift sie auf, was in der Zukunft geschehen sein wird. („Futur 2“). Sie redet implizit über die Karriere der drei Organisatorinnen, in dem sie diese in einer Podiumsdiskussion
auftauchen lässt. Durch Witholm sprechen die Organisatorinnen über Geschichte, Diskurse und Erinnerungen. Die Rede endet mit „The spectators will have listened, amazed at having these
historical subjects sitting there, looking at art historical moments and remembering how it was, how it is and how it changed and how“
Mit dem Ende Der "Eröffnungsrede" setzt sich Gina Mattiello eine Schweinsmaske aus Esspapier auf, und alle PerformerInnen, die sich bis jetzt in den Tischlöchern verborgen gehalten hatten, tauchen auf.
Als erster Gang wurde ein Vegetarisches Gulasch mit Kartoffeln und Reis (von Rania Moslam) von den "Schweinen" serviert. Das Publikum ist aufgefordert, das Geschirr weiterzugeben und das Essen im Sinne einer Volksküche zu teilen.
Katharina Ernst und Fabian Pollack begleiten improvisierend mit Schlagzeug und Gitarre den ganzen Abend. Sie arbeiten mit den Tempi der Performances und der Geräuschkulisse in der Aula.
Performative Interaktion, Transkription
Nachdem das Essen verteilt ist, während der Nahrungsaufnahme des Publikums, holen die Performerinnen mit den Schweinsmasken eine Käseplatte hervor, die später als letzten Gang serviert werden soll. Mit Lebensmittelstiften notieren sie und dokumentieren sie, was in ihrer Umgebung passiert.
Performative Interaktion, Während des Hauptgangs
THIS MOMENT IS ALMOST OVER (Teresa Novotny)
Fünf Frauen (Jessyca R. Hauser, Lisa Oberhofer, Sophie Resch, Nicole Sabella, Mercedes Springer) tragen gleichzeitig den selben Teresa Notony verfaßten Text vor. Der Text verhandelt die
Konsequenzen von Entscheidungen, die live getroffen werden, wobei die Performerinnen individuell mit dem Dinnerpublikum interagieren.
Während sie sich auf dem Tisch bewegen, entscheiden die ZuhörerInnen, welcher Performerin sie im jeweiligen Moment Aufmerksamkeit schenken möchten. Zu einem anderen Zeitpunkt sprechen die Frauen
persönlich nur mit einem kleinen Teil ihres Publikums.
‘(...) And I felt the weirdness of watching myself; and I felt the weirdness of that very moment taking hold of me. I felt that I could watch myself, stepping slowly onto the table, as if it
wasn’t me. As if the real me had gone someplace else, and the remains of me had to deal with this shell of a body, to which I now had to explain that I was gone, watching from
someplace else, if my life would still be lived, the way it was supposed to be lived. I pass you by this very moment. I try to get hold of the thought of your appearance. Maybe we could
know each other or could have known one another. And you are changing my thoughts right now. You will never see what I see when I look at you. I will never see you like this again. All we can do,
is to draw this final conclusion: this moment is almost over (...) Standing in front of you, as you are eating, chewing, swallowing, I can tell you what I am thinking, I can show you what I am
seeing, but you cannot eat what I am eating. You cannot remember what I am remembering. This is something that only I can experience. This is mine. (...) And still. What would I
remember if I was on the other side of the table. You fucking pig. Putting all these thoughts in my head. Where could I be now, if it wasn’t for you, all the things I could do, all the people I
could be.) I should not bite the hands that feed me; the brains that feed my mouth. To spit out these words into your ears. And it would not have mattered wether I said it or any other me. As
long as those thoughts are being thought, these words are being said. (...)’
Text: Teresa Novotny
Performative Interaktion, Kannibalistischer Akt
Nachdem der zweite performative Textteil des Abends beendet ist, kriechen die "Schweine" wieder aus ihren Löchern hervor und fangen an, sich selbst und ihresgeleichen zu verspeisen. Darunter treten zeitgleich aber auch die richtigen Gesichter der PerformerInnen hervor ("My name is").
Während des kannibalistischen Akts treten zum ersten Mal die KellnerInnen in Erscheinung, die bis dato den ganzen Abend erhoben und erhaben die Szene überblickten. Sie servieren Cognac XOP, dazu Trüffel mit essbaren Blüten und Goldstaub (von William Knaack und Johanna Baader). Die Dekadenz soll sich dann im dritten performativen Textakt von Bernadette Anzengruber widerfinden.
Performative Interaktion, Nachspeise
INSIDEOUT (Bernadette Anzengruber)
Im dritten Teil findet sich eine Frau (Nora Jacobs) zuhause wieder wie sie eine Postkarte liest, auf der inhaltlich geschrieben steht, dass es 6 Millionen Menschen gibt und sie sich trotzdem alleine fühle. Dies ist ihre Motivation das Haus zu verlassen und als "ungebetener Gast" das Dinner zu besuchen.
Auszug aus dem überarbeiteten Text:
insideout. do i want you to force your hand into my mouth. at first one or two ____________________ breaching all resistance the fifth finger. invading the throat the jaw spread nearly
dislocated as your knuckles push through the body revolting. choking. starving for more choking the choking. regaining control over it not allowing the body to limit itself not losing touch.
finally accepting you inside me. inside. i feel my skin my thumb squeezing into my palm my hand forming a fist. i want to feel you beneath the surface of the skin i want to get swallowed to seep
through its pores. you can't sweat me out. i will be with you and i want to touch you with tenderness but for some reason don't get touched at all. even when you touch with all the force one can
offer. i want to try harder i promise you will. No! listening. are you listening to what i am saying. it is not going to hurt. listen i am not going to kill. don't be shy. fuck. concentrate.
concentrate. we can do it. you just have to concentrate a bit. a bite. relax. listen. relax. (break) it makes me feel sick.
i regain control. i lose it. i want you to go through me. things disintegrate. not there any more. a body wrapped around the hand. it bites. it breaks. it beats. the free hand hits it shouts it
screams. without desire except the desire to make it stop begging to stop
the hand inside. without connection. the fist an object without . I broke you."
Text: Bernadette Anzengruber
Nachdem Nora Jacobs ihre Rede beendet hat, verlässt sie zusammen mit der ersten in Erscheinung getretenen Performerin, Gina Mattiello, das Geschehen. Alle anderen folgen ihr und der Schauplatz leer sich. Als Abrundung des Magens wird der beschriebene Käse (AOC Alp-Sbrinz, Entlebucher Nusskäse, Jersey Blue) Mit eingelegten Walnüssen und Holzofenbrot an das Publikum heraus gegeben.
Später wird das Tableau für das tanzwütige Publikum freigegeben.
Credits
Konzept: Bernadette Anzengruber, Veronika Merklein, Teresa Novotny, Projektkoordination:
Michaela Schweighofer, PerformerInnen: My name is / Gina Mattiello, Johanna Withalm, This moment is almost over / Jessyca R. Hauser, Lisa Oberhofer,
Sophie Resch, Nicole Sabella, Mercedes Springer, Insideout / Nora Jacobs, Schweine / Isabell Gross, Veronika Merklein, Tomasz Minczuk, Teresa Novotny, Gina Mattiello, Sophia
Süssmilch, Tiina Sööt, Jenny Wille, KellnerInnen /
Bernhard Buff, Veronika Burger, Johanna Flechaire, Suzie Legér, Mario Strk, Dorothea Zeyringer,
Küche: Johanna Baader, William Knaack, Isabelle Kellnar, Veronika Merklein, Rania Moslam, Schweinsmasken: Viktoria Mohorn, Musik: Katharina Ernst, Fabian Pollack, Dokumentation: Bernadette Anzengruber, Kevin Dooley, Christoph Kolar, Christian Messner, Diego Mosca, Marco Pointecker
Gefördert durch das IKW der Akademie der bildenden Künste, die Österreichische Hochschülerinnenschaft, Art for Art